RVR-Newsletter

10. August 2024 | Newsletter Ausgabe 10/2024
Interview
„Ich kann den Naturschutz vor der Tür voranbringen. Diese Chance nutze ich.“
Gebiete wie die Üfter Mark oder der Mülheimer Auberg sind die berufliche Heimat von Oliver König. Im Ruhrgebiet sorgt der Landschaftsarchitekt von RVR Ruhr Grün für den Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten und betreut große Ökokonten und Naturschutzgebiete. Im Interview berichtet Oliver König über aktuelle Projekte und seine Leidenschaft für Naturschutz in der Metropole Ruhr.
Aktuell arbeiten Sie an einem spannenden Projekt in dem Waldgebiet Üfter Mark, das auf eine Reise weit in die Vergangenheit einlädt. Worum geht es dabei?
Die Üfter Mark ist kein Wald wie jeder andere. Im Mittelalter waren weite Teile als Heide bzw. Sandmagerrasen ausgeprägt. Es gab sogar Wanderdünen, die erst Ende des 19. Jahrhunderts durch Aufforstung entdeckt wurden. Erst vor rund 150 Jahren wurde wegen des hohen Bedarfs an Grubenholz des Ruhrgebietes mit der Aufforstung dieser Heidelandschaft begonnen. Aufgrund verschiedener günstiger Gegebenheiten konnten sich zahlreiche Tiere und Pflanzen, die das offene und nährstoffarme Milieu als Lebensstätte benötigen, hier halten. Das ist etwas ganz Besonderes, was in der „Normallandschaft“ so heute nicht mehr zu finden ist. Unser Anliegen ist es, die teils sehr seltenen Arten im Gebiet zu halten und deren Bestand zu sichern. Hierzu habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Birwe den Plan für ein sogenanntes Biotopverbundsystem entwickelt, bei dem größere und kleinere Offenlandbiotope untereinander verbunden werden. Ziel ist der genetische Austausch der Arten zwischen den Teilflächen. Nur so sind stabile Populationen zu erhalten.
Wie gehen Sie dabei vor?
Wir arbeiten an Binnendünen und drehen quasi die Zeit zurück. Die Binnendünen sind nach der letzten Eiszeit entstanden und lagen im Mittelalter offen, teils als Wanderdünen. Heute sind diese Landschaften mit ökologisch weniger wertvollen Pflanzen wie Später Traubenkirsche oder Adlerfarn bewachsen. Wir tragen die dünne, humose Oberbodenschicht auf den Dünen ab, um neuen, weitestgehend vegetationslosen Lebensraum für daran angepasste Arten zu schaffen. So finden seltene Arten wie Zauneidechsen, Sandlaufkäfer, Grabwespen, Heidelerchen oder Ameisenlöwen neuen Lebensraum. Denn die Arten, für die wir das hier machen, sind an offene und sandige Böden angepasst, die man so in einer Normallandschaft gar nicht mehr hat.
Neben der Üfter Mark gehört der Mülheimer Auberg zu Ihren Revieren. Was passiert dort aktuell?
Im Bereich des Mülheimer Aubergs betreue ich ein rund 120 Hektar großes Gebiet mit verschiedenen Waldflächen, Obstgrünland und allen voran Mähwiesen. Seit 2019 setzen wir auf verschiedene Maßnahmen, um die Wiesen wieder bunter zu machen, damit dort mehr Kräuter und Blumen wachsen. Die Anzahl der von mir nachgewiesenen Arten konnte sich seitdem verdoppeln, teils sogar verdreifachen. Wesentliche Stellschrauben sind hier beispielsweise der Verzicht auf Gülledüngung, der Vollzug einer gestaffelten Mahd sowie die Anreicherung mit selbst gewonnenem Saatgut.
Man merkt, Sie sind mit großer Leidenschaft bei der Sache. Was bereitet Ihnen besonders Freunde an Ihrer Tätigkeit beim RVR Ruhr Grün?
Die Möglichkeit, beim RVR Ruhr Grün relativ zeitnah bedeutende Naturschutzmaßnahmen umzusetzen, weiß ich sehr zu schätzen. Mit unseren rund 18.000 Hektar Freiflächen haben wir eine riesige Kulisse über die gesamte Metropole Ruhr verteilt. Teils sehr spannende, große Gebiete, wie eben die Üfter Mark oder der Mülheimer Auberg. Die Flächen sind da, das notwenige „Kleingeld“ ebenfalls. Im Zusammenspiel mit unseren eigenen Leuten aus dem Forst, den Rangern oder Unternehmen können große Dinge bewegt werden. Ich habe die Möglichkeit, den Naturschutz bei uns vor der Tür voranzubringen. Diese Chance nutze ich. Das ist meine Motivation, auch mal bei schlechtem Wetter draußen zu sein. Denn da müssen wir als Gebietsbetreuer sein, draußen. Nur so verstehen wir das Funktionieren unserer Gebiete, das Verhalten der Erholungssuchenden, Tiere und Pflanzen, und nur so kann man sinnvolle Maßnahmen umsetzen.
Das Projekt wird als Teil des Programms "Integriertes Lifte-Projekt Atlantische Sandlandschaften" zu 100 Prozent von der EU und dem Land NRW gefördert.