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Pilze sammeln im Ruhrgebiet: Darauf kommt es an!

Herbstsaison ist Pilzsaison: Im Ruhrgebiet gibt es zahlreiche essbare Sorten, aber auch hochgiftige Exemplare. Wo in unserer Region können Pilze gesammelt werden? Was sollte dabei unbedingt beachtet werden? Im Interview verrät Diplom-Umweltwissenschaftler Bernhard Demel, der Pilz-Exkursionen im Auftrag des Regionalverbandes Ruhr anbietet, allerhand Wissenswertes über die Vielfalt unserer heimischen Pilze.

Herr Demel, wo im Ruhrgebiet können Pilze besonders gut gesammelt werden? 

Grundsätzlich kann man Pilze fast immer über das ganze Jahr verteilt in den verschiedensten Lebensräumen finden – nicht nur im Wald. So wachsen Pilze oft auch in Parks, auf Brachen und in Grünanlagen. Industriebrachen, Bergehalden etc. sollte man dabei aber auf jeden Fall vermeiden, da sich dort in den Böden Altlasten, also verschiedene Schadstoffe, befinden können, die von den Pilzen aufgenommen werden und sich im menschlichen Körper anreichern können. Auch für stark befahrene Straßen gilt dies. In Naturschutzgebieten darf auch nicht gesammelt werden. Ansonsten gibt es oft auch in Stadtparks viele essbare Pilze. Viele Wälder im Ruhrgebiet sind leider extrem mit Brombeeren oder Adlerfarn bewachsen und völlig unbegehbar. In allen anderen kann man aber immer wieder Glück haben und reiche „Beute“ machen. Eine grundlegende Kenntnis darüber, welche Pilze wo wachsen, ist dabei natürlich von immensem Vorteil. Zum Beispiel wird man in reinen Ahorn-Forsten kaum fündig werden. Buchen-, Eichen- oder Fichtenbestände sind dagegen erfolgversprechender.

Welche Arten gibt es?

In Deutschland gibt es je nach Zählart ca. 8.000 Großpilzarten – nur die wenigsten wachsen aber überall. Trotzdem ist es unmöglich anzugeben, welche Arten hier genau wachsen, es sind einfach zu viele. Für den Speisepilzsammler sind hierbei als Einsteiger besonders die Röhrlinge hervorzuheben, wie beispielsweise Rotfuß-Röhrlinge, Maronen- und Steinpilze, die es auch hier zu finden gibt. Fortgeschritteneren Pilzsammlern stehen daneben eine Vielzahl an Arten offen, wie die essbaren Täublinge, die Hallimasche, Rötelritterlinge, Riesenschirmlinge, Stäublinge und viele weitere, die aber eine explizite Artenkenntnis erfordern. Denn es gibt auch hier tödlich giftige Arten wie Panther- und Grüner Knollenblätterpilz. Das Stockschwämmchen ist zum Beispiel ein absoluter Spezialistenpilz, der einen tödlich giftigen Doppelgänger hat, den Gifthäubling, der am selben Baumstumpf wachsen kann und auch im Ruhrgebiet vorkommt.

Worauf sollte man beim Sammeln und beim Verzehr also unbedingt achten?

Neben den genannten Einschränkungen bei den Sammel-Orten wie Schadstoffbelastungen oder Naturschutz ist darauf zu achten, dass pro Person und Tag nicht mehr als ein bis maximal zwei Kilo Pilze gesammelt werden dürfen. Keinesfalls darf die eigene Pilzkenntnis überschätzt werden: Es dürfen ausschließlich Pilze gesammelt werden, die man hundertprozentig als essbar erkannt hat – 99,9 Prozent reichen nicht! Die Folgen eigener Selbstüberschätzung können fatal sein, auch für potenzielle Mitesser. Das zeigen beispielsweise die Knollenblätterpilzvergiftungen von drei Kindern in der Essener Universitätsklinik. Im Zweifelsfall sucht man einen Pilzsachverständigen auf. Diese sind über die Homepage der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zu finden.

Die Pilze müssen außerdem frisch und unverdorben sein. Die sogenannten „Unechten Pilzvergiftungen“ rühren daher, dass zu alte oder gar vergammelte Pilze gegessen werden. Darüber hinaus sind Pilze sehr schwer verdaulich, man sollte also keine zu großen Portionen verzehren – und einige Arten werden auch nicht von jedem gleich gut vertragen. Der Hallimasch sorgt zum Beispiel selbst korrekt zubereitet immer wieder für Unverträglichkeiten. Einige Pilze sind zudem zusammen mit Alkohol genossen unverträglich.

Wenn die richtigen Pilze gefunden wurden: Was ist Ihr persönliches Lieblingsrezept?

Am liebsten ist mir eine bunte Mischung aus zahlreichen verschiedenen Pilzarten in der einfachsten Grundzubereitung: in Butter mit Zwiebeln angedünstet, mit Sahne und verschiedenen Kräutern, gerne mit einem Ei verlängert. Geschnetzelter Schwefelporling, panierter Parasol und Riesenbovist, Schopftintlinge und einige andere Arten bevorzuge ich allerdings als „Sologericht“. Allgemein beliebte Arten wie Steinpilze, Pfifferlinge, Stockschwämmchen und selbstgesammelte Champignons halte ich persönlich dagegen für überbewertet. Letztere sollen seit diesem Jahr wegen möglicher Schwermetallbelastung (Cadmium) auch nicht mehr verzehrt werden. Eine Mischung aus Violetten Rötelritterlingen, Fichten-Reizkern und Hallimasch war eines der besten Pilzgerichte, das ich je gegessen habe.

Sie bieten im Auftrag des Regionalverbandes Ruhr auch Exkursionen zum Thema Pilze an. Was vermitteln Sie bei den Veranstaltungen? 

Pilze sind in ihrer Bedeutung, Vielfalt, Ökologie, Schönheit und Besonderheit einfach herausragend. Sie auf den kulinarischen Aspekt zu beschränken, halte ich für kleingeistig. In meinen Exkursionen gehe ich daher natürlich grundsätzlich auf die Essbarkeit oder Giftigkeit der Arten ein, lege aber besonderen Wert darauf, die Pilze mit allen Sinnen wahrzunehmen. Viele Arten sehen nicht nur faszinierend aus, manche duften hervorragend oder stinken auch mal gewaltig oder fühlen sich sehr interessant an: kalt, samtig, weich, wie Gummibärchen oder Glibber. Auch die Funktion der Pilze im Naturhaushalt, ihre Wechselbeziehungen zu anderen Organismen, ihr Aufbau und ihre Ökologie versuche ich dabei zu vermitteln. Wir sehen ja nur die Fruchtkörper, der eigentliche Organismus - das spinngewebeartige Pilzgeflecht, Myzel genannt - bleibt unseren Augen meist verborgen, da es im Substrat eingebettet ist. Kurz: Ich versuche, auch mittels einer lockeren, aufgeschlossenen Art, etwas Humor und der ein oder anderen lustigen und nachdenklichen Anekdote, Begeisterung für die Pilze zu vermitteln. Im Allgemeinen geling mir das, denke ich, recht gut, und die Rückmeldungen der Teilnehmer sind durchweg sehr positiv. Einige Personen nahmen schon mehrmals teil und besuchen auch z.T. unsere Exkursionen beim Arbeitskreis Pilzkunde Ruhr. Ich freue mich immer, wenn es mir gelingt, Menschen dazu zu bringen, sich über das Pilzesammeln hinaus mit den Pilzen zu beschäftigen!

Wer sich für eine Pilz-Exkursion interessiert, sollte regelmäßig einen Blick in den RVR-Veranstaltungskalender werfen. Termine werden hier angekündigt. 

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RVR-Internetredaktion