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"Kaufkraft der Senioren in Wachstum und Beschäftigung umsetzen" - idr-Interview

Gelsenkirchen.(idr). Dr. Josef Hilbert, Forschungsdirektor am Institut Arbeit und Technik im Wissenschaftspark Gelsenkirchen, und dort verantwortlich für den Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. Für den idr sprach Sabine von der Beck mit dem "Vater der Seniorenwirtschaft im Ruhrgebiet". idr: Herr Dr. Hilbert, wie haben Sie die Seniorenwirtschaft als Zukunftsbranche für das Ruhrgebiet entdeckt? Im Jahre 1995 bekamen wir mehrere Anfragen von Forscherkollegen aus der Toskana, von der Pelepones und aus Katalonien, die mit uns zusammen über Lebensweisen und Freizeitverhalten von älteren Menschen forschen wollten. Ihre Regionen wollten sich aufmachen, das Florida Europas zu werden, also ein bevorzugter Urlaubs-, Lebens- und Wohnstandort für Seniorinnen und Senioren. Und von uns erwarteten sie Kenntnisse über ihre wichtigste Kundengruppe, ältere Menschen aus der Rhein-Ruhr-Region. Da fiel bei uns der Groschen. Bevor die Seniorinnen und Senioren aus unserer Region ihr Geld in den Süden tragen, sollte die NRW-Wirtschaft an Rhein und Ruhr ein Gegenangebot machen: Sie soll mit attraktiven Produkten und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter nicht nur dafür sorgen, dass alte Leute hier sicher und gut unterstützt ihren Lebensabend verbringen können, sondern gleichzeitig die oft hohe Kaufkraft der Senioren für mehr Wachstum und Beschäftigung hier im Land binden. idr: Was ist aus Ihrem ersten Leuchtturm-Projek, dem "virtuellen Altenheim", geworden? Das "virtuelle Altenheim" wollte mit Hilfe der modernen Telekommunikation - genauer: Fernsehtelefonie - neue Kommunikationsmöglichkeiten liefern und gleichzeitig Dienstleistungen für zu Hause lebende Seniorinnen und Senioren anbieten und koordinieren. Dieses Konzept ist an rund zehn Orten aufgegriffen worden. Es funktioniert im Hinblick auf die Kommunikationsangebote sehr gut: Das "virtuelle Altenheim" ist vorwiegend eine "virtuelle Kaffeetafel". Die Vermittlung von Dienstleistungen läuft allerdings nur schleppend an. Leider fehlt auch noch immer eine überzeugende und kostengünstige Technik. Das "virtuelle Altenheim" ist übrigens auch in Japan aufgegriffen worden. idr: Nach Jahren aktiver Förderung der Seniorenwirtschaft - welche Erfolgsbilanz ziehen Sie heute? Wir am IAT beschäftigen uns seit neun Jahren mit Seniorenwirtschaft. Von Politik und Wirtschaft richtig aufgegriffen wurden unsere Ideen etwa seit 1998. Seit drei Jahren gibt es die Landesinitiative Seniorenwirtschaft. Im Ruhrgebiet ist im Wissenschaftspark Gelsenkirchen ein Kompetenzzentrum Seniorenwirtschaft entstanden, von dem wichtige Impulse für die Erneuerung der Pflege kommen. Am wichtigsten ist aber, dass es einen Klimawechsel gibt. Ältere Menschen werden nicht mehr so oft als Kostgänger der Gesellschaft angesehen, stattdessen interessiert sich die Wirtschaft immer häufiger für die Interessen und Bedürfnisse dieser kaufkräftigen Konsumentengruppe. Um genau sagen zu können, wie viele Arbeitsplätze in der Seniorenwirtschaft geschaffen worden sind, braucht es detaillierte Forschung. In 2004 werden wir wohl einige Mittel erhalten, um über diese Frage zu arbeiten. Unsere ersten groben Schätzungen haben wir neulich veröffentlicht: 900.000 bis eine Million. idr: Was muss dringend passieren, wie könnte die Seniorenwirtschaft im Ruhrgebiet sich optimal entwickeln? Da habe ich eine lange Wunschliste. An erster Stelle steht, dass es die verschiedenen Experten und Einrichtungen der Seniorenwirtschaft im Ruhrgebiet endlich schaffen, ihre Angebote aufeinander abzustimmen und geschlossen nach außen zu vermarkten. Hiervon erwarte ich mir die größte Breitenwirkung. Im Einzelnen gibt es dann noch viele weitere Punkte. Besonders wichtig ist, dass wir das Wohnen im Alter im Ruhrgebiet attraktiv machen, damit nicht noch mehr Menschen die Region verlassen. idr: Und wie sehen Ihre ganz persönlichen Pläne fürs Älterwerden aus? Das größte Problem im Alter ist es, einsam zu werden. Ich habe ein großes Haus, und wenn meine Kinder ausgezogen sind, will ich es für eine Hausgemeinschaft mit anderen "SilverHeads" nutzen. Einige Bekannte haben bereits Interesse angemeldet. Ich hoffe, sie setzen das dann auch in die Tat um. Und wenn wir dann noch von der Infrastruktur eines "virtuellen Altenheims" unterstützt werden könnten... idr: Vielen Dank für das Gespräch!Pressekontakt: Institut Arbeit und Technik, Pressestelle, Claudia Braczko, Telefon: 0209/1707-176

Gelsenkirchen.(idr). Dr. Josef Hilbert, Forschungsdirektor am Institut Arbeit und Technik im Wissenschaftspark Gelsenkirchen, und dort verantwortlich für den Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. Für den idr sprach Sabine von der Beck mit dem "Vater der Seniorenwirtschaft im Ruhrgebiet".

 

idr: Herr Dr. Hilbert, wie haben Sie die Seniorenwirtschaft als Zukunftsbranche für das Ruhrgebiet entdeckt?

 

Im Jahre 1995 bekamen wir mehrere Anfragen von Forscherkollegen aus der Toskana, von der Pelepones und aus Katalonien, die mit uns zusammen über Lebensweisen und Freizeitverhalten von älteren Menschen forschen wollten. Ihre Regionen wollten sich aufmachen, das Florida Europas zu werden, also ein bevorzugter Urlaubs-, Lebens- und Wohnstandort für Seniorinnen und Senioren. Und von uns erwarteten sie Kenntnisse über ihre wichtigste Kundengruppe, ältere Menschen aus der Rhein-Ruhr-Region.

 

Da fiel bei uns der Groschen. Bevor die Seniorinnen und Senioren aus unserer Region ihr Geld in den Süden tragen, sollte die NRW-Wirtschaft an Rhein und Ruhr ein Gegenangebot machen: Sie soll mit attraktiven Produkten und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter nicht nur dafür sorgen, dass alte Leute hier sicher und gut unterstützt ihren Lebensabend verbringen können, sondern gleichzeitig die oft hohe Kaufkraft der Senioren für mehr Wachstum und Beschäftigung hier im Land binden.

 

idr: Was ist aus Ihrem ersten Leuchtturm-Projek, dem "virtuellen Altenheim", geworden?

 

Das "virtuelle Altenheim" wollte mit Hilfe der modernen Telekommunikation - genauer: Fernsehtelefonie - neue Kommunikationsmöglichkeiten liefern und gleichzeitig Dienstleistungen für zu Hause lebende Seniorinnen und Senioren anbieten und koordinieren. Dieses Konzept ist an rund zehn Orten aufgegriffen worden. Es funktioniert im Hinblick auf die Kommunikationsangebote sehr gut: Das "virtuelle Altenheim" ist vorwiegend eine "virtuelle Kaffeetafel".

 

Die Vermittlung von Dienstleistungen läuft allerdings nur schleppend an. Leider fehlt auch noch immer eine überzeugende und kostengünstige Technik. Das "virtuelle Altenheim" ist übrigens auch in Japan aufgegriffen worden.

 

idr: Nach Jahren aktiver Förderung der Seniorenwirtschaft - welche Erfolgsbilanz ziehen Sie heute?

 

Wir am IAT beschäftigen uns seit neun Jahren mit Seniorenwirtschaft. Von Politik und Wirtschaft richtig aufgegriffen wurden unsere Ideen etwa seit 1998. Seit drei Jahren gibt es die Landesinitiative Seniorenwirtschaft. Im Ruhrgebiet ist im Wissenschaftspark Gelsenkirchen ein Kompetenzzentrum Seniorenwirtschaft entstanden, von dem wichtige Impulse für die Erneuerung der Pflege kommen.

 

Am wichtigsten ist aber, dass es einen Klimawechsel gibt. Ältere Menschen werden nicht mehr so oft als Kostgänger der Gesellschaft angesehen, stattdessen interessiert sich die Wirtschaft immer häufiger für die Interessen und Bedürfnisse dieser kaufkräftigen Konsumentengruppe. Um genau sagen zu können, wie viele Arbeitsplätze in der Seniorenwirtschaft geschaffen worden sind, braucht es detaillierte Forschung.

 

In 2004 werden wir wohl einige Mittel erhalten, um über diese Frage zu arbeiten. Unsere ersten groben Schätzungen haben wir neulich veröffentlicht: 900.000 bis eine Million.

 

idr: Was muss dringend passieren, wie könnte die Seniorenwirtschaft im Ruhrgebiet sich optimal entwickeln?

 

Da habe ich eine lange Wunschliste. An erster Stelle steht, dass es die verschiedenen Experten und Einrichtungen der Seniorenwirtschaft im Ruhrgebiet endlich schaffen, ihre Angebote aufeinander abzustimmen und geschlossen nach außen zu vermarkten. Hiervon erwarte ich mir die größte Breitenwirkung. Im Einzelnen gibt es dann noch viele weitere Punkte. Besonders wichtig ist, dass wir das Wohnen im Alter im Ruhrgebiet attraktiv machen, damit nicht noch mehr Menschen die Region verlassen.

 

idr: Und wie sehen Ihre ganz persönlichen Pläne fürs Älterwerden aus?

 

Das größte Problem im Alter ist es, einsam zu werden. Ich habe ein großes Haus, und wenn meine Kinder ausgezogen sind, will ich es für eine Hausgemeinschaft mit anderen "SilverHeads" nutzen. Einige Bekannte haben bereits Interesse angemeldet. Ich hoffe, sie setzen das dann auch in die Tat um. Und wenn wir dann noch von der Infrastruktur eines "virtuellen Altenheims" unterstützt werden könnten...

 

idr: Vielen Dank für das Gespräch!

Pressekontakt: Institut Arbeit und Technik, Pressestelle, Claudia Braczko, Telefon: 0209/1707-176

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