Ruhrgebiet. Die Finanzlage der Kommunen im Ruhrgebiet war trotz Krisen wie Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg vergleichsweise gut. Die Konsolidierung der Haushalte in den letzten fünf Jahre hatte jedoch ihren Preis. So liegen die Realsteuerhebesätze im Ruhrgebiet schon länger weit über dem Bundesdurchschnitt, weit unterdurchschnittliche Investitionen in Schulen, Kitas oder Verkehr gehen an die Substanz kommunaler Infrastruktur und hohe Altschulden belasten nach wie vor die Region. Eine der größten Ursachen für die Finanzengpässe sind die Sozialausgaben. In 2023 gaben die Ruhrgebietskommunen 7,2 Milliarden Euro direkt bzw. indirekt über die beiden Landschaftsverbände für soziale Leistungen aus. Das ist eines der Ergebnisse der Sozialberichterstattung Ruhr, die der Regionalverband Ruhr (RVR) in Auftrag gegeben hat.
Thomas Eiskirch, Bochums Oberbürgermeister und Vorsitzender des Kommunalrats: "Wir stehen vor einer Reihe von Herausforderungen, um als Wirtschafts- und Lebensraum Ruhrgebiet im Wettbewerb mit anderen Regionen zukunftsfähig zu bleiben. Gleichzeitig läuft die Schere zwischen kommunalen Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinander und engt unsere Handlungsspielräume für dringend benötigte Investitionen mehr und mehr ein. In der Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Land und Kommunen müssen Aufgaben und finanzielle Mittel wieder so austariert werden, dass jeder seine Aufgabe gut lösen kann. Außerdem erwarten wir, dass das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ eingehalten wird."
Die indirekte Beteiligung an den Leistungen der Landschaftsverbände machte 2023 mit 27,5 Prozent den größten Teil der Sozialausgaben aus. Mit 25,4 Prozent folgten die Kosten der Unterkunft nach dem SGB II. Der nächste größere Ausgabenblock mit 18,8 Prozent war die Jugendhilfe und die Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen mit 13.1 Prozent. Hierunter fällt insbesondere die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die hohen Sozialausgaben sind bedingt durch die hohe Dichte an Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen der sozialen Mindestsicherung. Im Ruhrgebiet betrug ihr Anteil 14 Prozent der Bevölkerung.
RVR-Regionaldirektor Garrelt Duin: "Wenn der Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse ernst gemeint ist, muss die Handlungsfähigkeit der Kommunen wiederhergestellt werden. Wir brauchen Investitionen, um Menschen in Beschäftigung zu bringen. Es müssen Leistungen möglich sein, die zur Integration und Chancengerechtigkeit beitragen. Frühkindliche und schulische Bildung sind deutlich zu verbessern und die Gesundheitsförderung zu stärken, um prekäre Lebenslagen erst gar nicht entstehen zu lassen. Die Stellschraube dafür sind die städtischen Haushalte."
Kommunen und RVR fordern dringenden Reformprozess
Damit sich die Schere zwischen kommunalen Ausgaben und zur Verfügung stehenden Finanzmitteln nicht immer weiter öffnet, fordern die Kommunen im Ruhrgebiet und der RVR, jetzt dringend einen Reformprozess einzuleiten. Drei Ansatzpunkte für eine Reduktion der Belastung sind:
• Neuverteilung der Sozialhilfelasten
• Ursachenbekämpfung
• Bürokratieabbau
RVR und Kommunen appellieren an Land und Bund, zügig den jüngst vom Normenkontrollrat vorgelegten Vorschlag zur Neusystematisierung und Zusammenfassung der Hilfeleistungen umzusetzen. Größere Handlungsspielräume bekämen die Städte auch durch die seit langem angekündigte Altschuldenlösung.