Die 16. Ausgabe der europäischen nomadischen Biennale Manifesta wird vom 21. Juni bis 4. Oktober 2026 im Ruhrgebiet stattfinden. Über einen Zeitraum von mehr als 100 Tagen präsentiert die Manifesta 16 Ruhr in mehreren Städten der Region künstlerische, urbane und soziale Interventionen. In der präbiennalen Recherchephase für die kommende Ausgabe wurde ein konzeptioneller Rahmen entwickelt, der an die inhaltlichen Fragen der Manifesta 15 anknüpft – die im November 2024 in Barcelona und 11 umliegenden Städten erfolgreich zu Ende ging und über 291.000 Besuche verzeichnete.
Nach der Bewerbung des Ruhrgebiets um die Manifesta, die unter der Leitung von bekannten Kulturschaffenden und mit Unterstützung der zentralen politischen Entscheidungsträger, erfolgreich abgeschlossen wurde, strebt die Manifesta 16 nun eine Auseinandersetzung mit der einzigartigen sozialen und urbanen Struktur des Ruhrgebiets an. Im Einklang mit dem Kernauftrag der Manifesta soll untersucht werden, wie Kunst und Kultur durch inklusive und partizipative Praktiken ein bürgerschaftliches Engagement fördern und einen positiven sozialen Wandel anstoßen können.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Ruhrgebiet mit seiner reichen Industrielandschaft aufgrund seiner strategischen Bedeutung als Zentrum der Kohle- und Stahlproduktion weitgehend zerstört. In der Nachkriegszeit folgte in der Region ein rascher Wiederaufbau, der von neuen architektonischen und sozialen Konzepten geprägt war. Das Ziel war hierbei eine Neugestaltung von Stadtzentren und -vierteln. In Vorbereitung auf die Manifesta 16 wurde dieser geschichtliche Kontext unter dem Gesichtspunkt der urbanen Transformation im Zuge des regionalen Wiederaufbaus intensiv beleuchtet.
Ausgehend von der langfristigen Zielsetzung der Manifesta, eine systematische Bestandsaufnahme europäischer Städte und Regionen zu schaffen, wurde für die Manifesta 16 der katalanische Architekt und Stadtplaner Josep Bohigas als erster Creative Mediator ernannt. Bohigas ist bekannt für seine führende Rolle bei der Entwicklung der „Superblocks“ in Barcelona, einem Stadtplanungskonzept, bei dem Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und Lebensqualität im Mittelpunkt der Gestaltung von Stadtvierteln stehen. So lag einem früheren Projekt in Zusammenarbeit mit Ada Colau, der ehemaligen Bürgermeisterin von Barcelona, der Schwerpunkt auf urbaner Konnektivität und sozialer Resilienz in Barcelona. Für die Manifesta 16 Ruhr entwickelt Bohigas ein urbanistisches Forschungskonzept, die sogenannte „Urban Vision“, die später in diesem Jahr ausführlich vorgestellt werden wird. Dieses Forschungskonzept wird die Grundlage der künstlerischen und urbanen Interventionen der Biennale bilden und Wege aufzeigen, wie Nachbarschaften dynamischer gestaltet werden können und der soziale Zusammenhalt gestärkt werden kann.
Ein Schwerpunkt des urbanistischen Forschungskonzepts ist die Untersuchung der Funktion von kirchlichen Gebäuden beim Wiederaufbau des Ruhrgebiets nach dem Krieg. Kirchliche Architekturen, die oft von den lokalen Gemeinschaften selbst (wieder) aufgebaut wurden, wurden zum Symbol bürgerlicher Identität und demokratischer Teilhabe. Viele dieser Kirchen scheinen jedoch heute obsolet zu sein. Man rechnet damit, dass fast die Hälfte der 40.000 Kirchen in Deutschland innerhalb der nächsten zehn Jahre geschlossen, abgerissen oder verkauft werden.
Die Manifesta 16 Ruhr wird sich mit der Frage befassen, wie diese ehemaligen Gotteshäuser als inklusive kulturelle und gemeinschaftliche Räume umgenutzt werden können. Durch eine Transformation dieser leer stehenden Gebäude zu Orten der Begegnung und des künstlerischen Austauschs möchte die Biennale den interkulturellen Dialog und sozialen Zusammenhalt fördern – insbesondere als eine Antwort auf die gegenwärtigen globalen Tendenzen von Polarisierung und Nationalismus.
„Eine der drängenden Fragen, mit denen wir uns in dieser 16. Ausgabe der Manifesta auseinandersetzen – und die nicht nur für Deutschland, sondern weltweit von Bedeutung ist – lautet: Wie können Kunst, Kultur und Architektur neue Perspektiven für ehemalige Kirchengebäude eröffnen, die zunehmend geschlossen werden? Wie können diese einst sakralen Räume heute als lebendige Orte für Gemeinschaft und sozialen Zusammenhalt genutzt werden? ‚Dies ist keine Kirche‘ war unser Ausgangspunkt – doch die eigentliche Frage ist: Was kann sie werden?“, so Hedwig Fijen, Direktorin der Manifesta 16 Ruhr.
Von zentraler Bedeutung in der präbiennalen Phase der Manifesta 16 ist eine Reihe von Beteiligungsangeboten für Bürger*innen, die ab Mai 2025 an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet stattfinden werden. Durch diese Bottom-Up- Angebote sollen die Einwohner*innen und Gemeinschaften vor Ort in die Entwicklung des Programms für die Biennale einbezogen und eingeladen werden, sich zu den Themen und Vorschlägen des urbanistischen Forschungskonzepts zu äußern. Die Ergebnisse der Beteiligungsformate werden im September 2025 veröffentlicht und in das partizipative künstlerische Konzept einfließen, das durch den zweiten Creative Mediator erarbeitet wird.
Darüber hinaus wird es im Sommer 2025 einen offenen Aufruf an regionale soziale und kulturelle Akteur*innen geben, sich an der Umgestaltung von Nachbarschaften im Rahmen des Programms der Manifesta 16 Ruhr zu beteiligen. Ausgewählte Projekte werden als Teil des Programms der Biennale präsentiert und tragen so zu einer stärkeren Einbindung lokaler Gemeinschaften bei. Diese Projekte werden zusammen mit der Bekanntgabe des zweiten Creative Mediators, des künstlerischen Konzepts und der Liste der teilnehmenden Städte im Frühherbst 2025 vorgestellt.