Pressemitteilung

Regionalverband Ruhr legt Kommunalfinanzbericht vor: Städtische Haushalte bestehen den „Corona-Stresstest“

Essen / Metropole Ruhr. Das Jahr 2020 war trotz der enormen Belastungen durch die Corona-Pandemie in fiskalischer Hinsicht für die Kommunalfinanzen im Ruhrgebiet ein gutes Jahr. Da Bund und Länder erstmals in einer so umfassenden Krise einen Schutzschirm auch über den Kommunen aufgespannt hatten, konnte ein Absturz der Finanzen vermieden werden – anders als in der Banken- und Staatschuldenkrise 2008/2009.

Die Städte, Gemeinden und Kreise der Metropole Ruhr haben unter diesen Sonderbedingungen sogar ihren bisher höchsten kameralen Haushaltsüberschuss erzielt: 815 Millionen Euro. Die Liquidität wurde genutzt, um mit einem Betrag von 773 Millionen Euro Kassenkredite abzubauen und den Weg „Raus aus den Schulden“ fortzusetzen.

Trotz dieser erfreulichen Entwicklung hat Corona die Kommunen hart getroffen und vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Sie haben dennoch in der Pandemiebekämpfung vielfach ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Gleichzeitig deckte die Pandemie zahlreiche Schwachstellen auf, zum Beispiel bei der Digitalisierung. Vor diesem Hintergrund zeichnet die aktuelle Ausgabe des Kommunalfinanzberichtes für die Metropole Ruhr, die der Regionalverband Ruhr (RVR) heute (6. Januar) in Essen vorlegt, ein geteiltes Bild inmitten der nächsten Corona-Welle. Erstellt haben die Finanzanalyse und die aktuelle Lagebewertung ein Autorenteam um Professor Dr. Martin Junkernheinrich von der TU Kaiserslautern, der den Bericht an Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel übergeben hat.

„Der Rettungsschirm von Bund und Land hat die Kommunalfinanzen im Ruhrgebiet 2020 vor dem Absturz bewahrt“, sagt Finanzexperte Prof. Junkernheinrich. Und er mahnt gleichzeitig: „Diese Unterstützung wird sich so nicht weiter fortsetzen, um zum Beispiel Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen abzufedern. Hinter der Entschuldung steht ein großes Fragezeichen.“ Denn die Tilgung erfolgte nur zu einem kleinen Teil aus Überschüssen im Ergebnishaushalt. Die Kommunen hätten in hohem Maße auf Finanzmittel zugegriffen, die im Haushalt als Rückstellungen für zukünftige Ausgaben gebunden sind wie Pensionslasten oder Investitionen.

Auch Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel warnt vor zu großer Euphorie mit Blick auf die aktuelle Haushaltslage: „Die Schulden der Corona-Pandemie dürfen für die Städte und Kreise im Ruhrgebiet nicht zu den Altschulden von morgen werden. Gemeinsam muss weiter politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich alles getan werden, die Omikron–Welle zu brechen und die Pandemie zu überwinden. Nur dann können künftige Haushaltsüberschüsse in Investitionen für Schule, Straße, Wohnen und Klimaschutz umgemünzt werden.“

„Dass wir die Krise überwinden werden, ist keine Frage“, zeigt sich Markus Schlüter, Bereichsleiter Wirtschaftsführung beim RVR, zuversichtlich. „Aber Corona wirft uns mit all seiner Unberechenbarkeit in der Konsolidierung der kommunalen Haushalte wieder zurück. Das sehen wir zum Beispiel auch bei den Freizeiteinrichtungen und Bädern mit RVR-Beteiligung, die nach jedem Neustart immer wieder ausgebremst werden und nicht nahtlos an die Besuchszahlen vor Corona anknüpfen können. Im Gegenteil. Die Einrichtungen brauchen finanzielle Unterstützung der Gesellschafter Stadt und RVR, um durch die Krise zu kommen.“

Dennoch erfreulich: Dank der Stabilisierungsmaßnahmen von Bund und Land während der Pandemie konnten im Jahr 2020 die Investitionen im Ruhrgebiet nochmals kräftig erhöht werden: um +24,4 Prozent. Im Vergleich zum westdeutschen Durchschnitt besteht aber weiterhin eine Investitionslücke. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2020 wurden jährlich rund 790 Millionen Euro weniger für Investitionen ausgegeben. Die Ursache dafür sind vor allem überdurchschnittlich hohe Sozialausgabe, die 2020 zudem wieder überdurchschnittlich stark um 4,6 Prozent gestiegen sind. Aber im Gegenzug hat die Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft um weiter 25 Prozentpunkte zu einer Senkung der Nettobelastung geführt. Solche Unterstützungsmaßnahme entlasten die Kommunen dauerhaft, loben die Autoren der Finanzanalyse.

Neue Ampel-Koalition soll Altschuldenlösung auf den Weg bringen

Den Weg planbarer und effektiver Unterstützung durch Bund und Land für die Kommunen gilt es fortzusetzen. Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel: „Deshalb bin ich froh, dass die Ampel-Koalition in Berlin einen neuen Anlauf für eine Lösung des Altschuldenproblems angekündigt hat. Ich hoffe sehr, dass nachdem auch Rheinland-Pfalz eine Altschuldeninitiative angekündigt hat, die nordrhein-westfälische Landesregierung ihre bisherige Zurückhaltung bei diesem Thema aufgibt und aktiv an einer Lösung in den kommenden Monaten mitarbeitet. Die Kommunen stehen bereit, ihren Anteil zu leisten.“

„Die Lösung des Altschuldenproblems ist wichtig und überfällig“, betont auch Prof. Junkernheinrich. „Sie ist eine gezielte Hilfe für belastete Kommunen. Damit wird die Eigenfinanzierungskraft und folglich die fiskalische Gleichwertigkeit gestärkt. Vor dem Hintergrund der angekündigten Investitionsoffensive der neuen Bundesregierung ist das notwendig, damit im Ruhrgebiet die Modernisierung der Infrastrukturen auch aus eigener Kraft forciert werden kann.“

Das Resümee im aktuellen Kommunalfinanzbericht fällt trotz der Belastungen der Pandemie hoffnungsvoll aus: „Sicherlich wird die Kommunalfinanzierung noch zwei bis drei Jahre brauchen, um an die Vorkrisenzeit anzuknüpfen. Gleichwohl haben die Kommunen den Stresstest bestanden. Gemeinsam können nun Reformen eingeleitet werden, die das kommunale Finanzsystem künftig widerstandsfähiger machen.“

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