Tango an der Ausfahrt Wattenscheid. Skaten vor der Essener Skyline. Blasmusik vor dem Westfalenstadion und Tischfußball in Mülheim-Styrum: Am 18. Juli 2010 stand die Autobahn A40 einen Tag lang still.
Doch das Leben pulsierte bunt und laut: Sechs Stunden lang verwandelte sich der Ruhrschnellweg bei strahlendem Sonnenschein und 30 Grad zwischen Dortmund und Duisburg in die längste Tafel der Welt. Taubenzüchter und Yogakurse, Trommelgruppen und Skatvereine, Hobbyköche und Ortsverbände aller Art kamen aus der ganzen Metropole hier zusammen und nahmen Platz – zwei Millionen Menschen insgesamt. 20 000 Tische hatten rund 3000 ehrenamtlich Helfer zuvor über Nacht aufgebaut. Auf der Gegenfahrbahn Richtung Osten durfte zeitgleich alles fahren, was Räder hat, aber keinen Motor. Eine weitere Million Menschen, so die Schätzungen, war auf dieser Seite der Mittelspur unterwegs.
Auf einen „Gründungsmoment für das moderne Ruhrgebiet“ hat Fritz Pleitgen, neben Oliver Scheytt Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH, damals gehofft – und ihn bekommen. Die Kulturhauptstadt und besonders das „Still-Leben Ruhrschnellweg“ sind heute Teil des kollektiven Gedächtnisses mit Ausstrahlung weit über das Ruhrgebiet hinaus.
„2010 stand erstmals mit Essen als Bannerträgerin eine ganze Region im Fokus einer europäischen Kulturhauptstadt“, so Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr über das Vermächtnis von RUHR.2010. „Der Erfolg blieb nicht auf das eine Jahr beschränkt, er zeigt sich gerade erst in der Nachhaltigkeit der zahlreichen Projekte und Ideen, die unter anderem vom Regionalverband Ruhr und der Ruhr Tourismus GmbH fortgeführt und weiterentwickelt werden. Die Bilder des Dekadenprojekts sind heute noch in allen Köpfen. Geblieben ist auch die Bereitschaft zum engem Schulterschluss aller Kommunen in der Region, ohne die neue Leuchtturmprojekte wie die IGA Metropole Ruhr 2027 nicht möglich wären.“
Zu den Projekten und Institutionen, die damals angestoßen wurden oder indirekt daraus hervorgegangen sind, gehören unter anderem die Kulturkonferenz Ruhr, Interkultur Ruhr, die Urbanen Künste Ruhr, das Netzwerk der Ruhrkunstmuseen und Ruhrbühnen, große Events wie der Tag der Trinkhallen und !Sing – Day of Song, aber auch die Ruhr Games und die Kreativwirtschaft.
Ein enormes Echo entfaltete Kulturhauptstadt darüber hinaus auf die touristische Wahrnehmung der einstigen industriellen Herzkammer Deutschlands. Schon die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park hatte ehemalige Zechen, Stahlwerke, Kokereien und Gasometer in spektakuläre Veranstaltungsorten umgewandelt. 2010 standen die Wahrzeichen der Industriekultur strahlend einem internationalen Publikum vor Augen.
„RUHR.2010 hat in einzigartiger Weise die Region nach außen dargestellt und auch nach innen einen großen Beitrag zur Bewusstseinsänderung in der Region selbst geleistet“, erläutert Axel Biermann, Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH. „Seither hat der Tourismus hier - auf noch bescheidenem Niveau - geradezu einen Boom erlebt. Und wer damals auf der Autobahn feierte, wandert heute mit großer Selbstverständlichkeit über die kunstvoll gestalteten Halden, radelt über ehemalige Bahntrassen und weiß um das kreative Potenzial dieser Metropole, die sich nach dem Abschied von der Kohle neu erfunden hat.“
Das nächste Großprojekt ist bereits in Blickweite: 2027 verwandelt die Internationale Gartenausstellung (IGA Metropole Ruhr 2027) die Städtelandschaft Ruhrgebiet in das weltgrößte Gartenfestival. Das zeigt auf drei Ausstellungsebenen, wie sich eine Industrielandschaft zur Modellregion für grünen Wandel und Nachhaltigkeit entwickelt.
Infos zur RVR-Nachhaltigkeitsstrategie